

Die autogerechte Stadt – ein Konzept des vergangenen Jahrhunderts dominiert die Städte der Gegenwart. Was wäre, wenn sich die Bewohner der König-Wilhelm Straße Ulms ihren Lebensraum zurückeroberten, die Straße für drei Monate zur verkehrsberuhigten Zone erklärt würde, an ihrer Kreuzung ein Feld Rollrasen in der Größe eines Basketballfeldes ausgelegt wäre und Platz für alltägliche Nutzung und Aktionen böte? Die Affäre König Wilhelm eröffnet ein Versuchsfeld für demokratische Mitbestimmung: Lebensraumaktivierung durch Verkehrsberuhigung als offenen, transparent dokumentierten Prozeß der Realisierung einer Utopie.
AUFTAKT: AKTION RASENMÄHER
18.04.21

„Aktion Rasenmäher“, Ulm, König-Wilhelm-Straße, 18.04.2021
DAS WAHLBÜRO, 24./25.04.21




TAG DER UTOPIE, 08.05.21


DIE OSTSTADT-OLYMPIADE, 27.06.21
Ein spannendes Stadtspiel um die Grüne Ente: Wer findet das beste Versteck?




INTERVIEWS MIT VERTRETER:INNEN DER FRAKTIONEN DES ULMER STADTRATS: WIE STEHEN SIE ZUM ROLLRASENFELD ??
September/Oktober 21
Bemühungen, über den Weg der Stadtverwaltung eine Umsetzung des Experimentierfeldes Rollrasen zu erlangen, erklären wir nach Monaten hartnäckiger Korrespondenzen als gescheitert. Uns interessiert nun: wie steht die Politik, also die demokratisch gewählten Vertreter:Innen der Fraktionen zum Rollrasenfeld auf der König-Wilhelm-Straße?!
Interview mit Lena Schwelling, GRÜNE

Interview mit Thomas Kienle, CDU, 30.09.21

LESEN SIE 11 SEITEN INTERVIEW MIT THOMAS KIENLE, CDU
1. FRAGEN ZUM LEBENSMITTELPUNKT ULM
AKW: Welcher Ort ist heute dein Lieblings-Aufenthalts-Ort in Ulm?
Das ist die Wilhelmsburg, vor allem der Turm, wenn die Stadt nachts beleuchtet ist, das hat schon sowas von Weite und von Kreativität, von einem Ort wo was entstehen kann. Vielleicht ist es nicht der schönste Ort, aber der Spannendste.
AKW: Welchen Ort in Ulm fndest du besonders atmosphärisch?
Ja, deshalb komme ich auf die Wilhelmsburg, sie hat extrem viel Spannung, weil dort noch soviel entstehen kann, vor allem ist sie der Zukunftsort für die Landesgartenschau 2030, da wird die Stadt neu entdeckt, auch von oben nochmal neu erschlossen, es wird neue Verkehrswege geben. Es gibt viele Pläne, Ideen, unzählige Konzepte, da eines zu verwirklichen wäre toll.
AKW: reden wir über die Zukunft: Ulm 2050, wie stellst du dir die Stadt vor ?
Für die Zukunft gilt es, einen Ort zu schaffen, der viele Alleinstellungsmerkmale bietet, ein Ort, der weiter die bisherigen Entwicklungen konsequent verfolgt, der Erlebnis-Ort wird. Das Eine ist, dass der Grüngürtel weiter entwickelt wird, dass er wie in der Friedrichsau zu DEM großen Treffpunkt, dem Bürgerpark wird. So, wie wir es im Moment mit den fünf, sechs Kulturorten beabsichtigen die wir platzieren und die Freilichtbühnen zu ständigen Event-und Konzertorten ausbauen. Das Andere ist, dass wir eine große Vielfalt an individuellen Gastronomien haben, dass wir in der Innenstadt, diese lebens – und liebenswerten Nicht-Sortimentläden, sondern beratende Einzelhandelsgeschäfte haben werden, wir weiterhin ein großer Arbeitgeber für die Region sind, und dass wir so ein starkes oder noch stärkeres Kulturprofl aufweisen wie wir es im Moment haben.
Natürlich ist auch der Ausbau von Ulm als zentralen Ort für die Donauländer wichtig, und vor Allem, dass wir aus der Wohnungsnot rauskommen, oder, Not ist übertrieben, dass wir den Wohnungsbedarf decken, weniger sechsgeschossige Gebäude bauen, sondern lebenswerte Inseln, Einheiten mit viel Grünfäche hinbekommen. Das ist ein ganz großer Wunsch, ich weiß auch, dass das schwer zu realisieren ist, aber daran würde ich arbeiten.
AKW: ich glaube, „Wohnungsnot“ ist gar nicht übertrieben, vor allem was günstige Wohnungen für einkommensschwache Haushalte betrift.
TK: Not impliziert, dass viele auf der Straße sind, natürlich haben wir einen großen Bedarf an günstigen Wohnraum, die steigenden Öl und Gaspreise verschärfen das Ganze noch, es ist keine gute Entwicklung, aber eine Not haben wir aktuell noch nicht. Wir haben für jeden ein Obdach. Wir bauen beispielsweise beim Roten Kreuz das Heim bzw. die Wohnungen für Nicht-Sesshafte.
AKW: Ist für dich auch der Bau von den neuen Sedelhöfen ein Schritt in diese Richtung?
TK: Also ich fnde, die Dachterrassen von dem Hotel ganz gut, diese Kaffeeterrasse, die Bar, fnde ich gut gelungen, da hat man einen schönen Blick wenn man über die Balustrade hinauskommt, auch das Hotel ist schön geworden, aber der Platz ist natürlich düster und öde, der gehört aufgewertet.
AKW: das stelle ich mir schwierig vor, der Platz ist ja schon komplett umschlossen. Ich fnde, das ist ein richtiger Nicht-Ort, man taucht aus der Unterführung auf und weiß gar nicht in welcher Stadt man ist, der Ort könnte überall sein, ich fnde der Ort hat mit Ulm nichts zu tun, er ist vollkommen beliebig, generiert keine Identität, keine Atmosphäre. Das was du eben gesagt hast, du wünscht dir Vielfalt, individuelle Läden und Gastronomien erkennt man in dem Neubau nicht.
TK: Für mich ist das Ergebnis auch ernüchternd. Wir waren ja in dem Wettbewerb drin, und haben die Pläne gesehen, das hat sich ja alles ganz anders präsentiert, die Pläne waren großartig, mit Kunst am Bau, mit Einstein als Erinnerungsort, Monumente mit Wasserspielen, mit Bäumen, so war das gedacht, und auch in den Plänen war alles viel großzügiger, viel weitläufger, viel mehr Erlebnisraum. Ich bin schon auch erschrocken, wie klein und eingedampft es wirkt und wie diese Fläche-Höhe Relation in der Umsetzung ganz anders ist, als es in den Plänen suggeriert wurde, man hat den Eindruck, man ist in so einer Art Windfang
AKW: (lacht) ja das trift es gut, es bläst einen dort um.
TK: es ist dort immer kalt, oder ? Die Sonne macht sich rar…
AKW: Das Ulmer Münster ist völlig verstellt. Das zeichnete ja gerade Ulm aus, wenn man dort am Bahnhof ankam, und es gab die freie Blickachse auf das Ulmer Münster, es ist ja gerade das, was die Identität der Stadt ausmacht.
TK: Ich muss immer an meinen Freund Siegfried denken, der als Einziger massiv dafür gekämpft hat an dieser Stelle einen Stadtpark zu setzen, dafür von allen belächelt wurde und sie sich alle gefragt haben, ob er noch richtig tickt. Aber je öfter ich dort durchlaufe, muss ich an seine Pläne denken. Letzten Urlaub sind wir ein paar Mal in Trient ausgestiegen, und wenn man dort morgens morgens unter dem Dante Denkmal sitzt und einen Kaffee aus dem nahen Kiosk trinkt, erlebt man, was für eine Aufenthaltsqualität dort ist. Gleichzeitig kannst du von dort die Stadt erschließen, die Kongresshotels sind alle um dem Stadtpark angebracht, und natürlich ist man im Sommer dankbar, den schattenspendenden Park zu haben, das gibt viel Lebensqualität.
AKW: Ich fnde, es ist dort etwas gebaut worden, das etwas großstädtisches suggerieren soll, aber wenn man ankommt, ist man im Irgendwo, an einem absoluten Nichtort.
TK: das stimmt schon, aber die vorherige Situation war es ja noch schlimmer, oder?
AKW: Ich fnde, das ist kein Argument, der Ort hatte ja Potential, es wurde alles abgerissen und auf Null gesetzt und man hatte alle Möglichkeiten.
TK: Von der Einheitlichkeit, vom Stadtbild her, ist das zumindest mal ein Statement, man weiß, dass man in einer Stadt ist, man hat auch architektonische Qualität, zumindest, was die Vorderfront und die Wohnungen betrift, aber der Platz an sich, der Einsteinplatz, ist in der Tat sowas von kalt… Vielleicht ist das ja gerade der Ausdruck von Urbanität, von verdichteter Stadt, aber ein Erlebnis-Ort ist er meines Erachtens nach nicht. Dann haben wir ja gehoft, dass das am Bahnhofsplatz stattfnden wird, aber ich fürchte, das wird es auch nicht.
AKW: An welchem Ort in Ulm würden Sie Ihre heimliche Geliebte des Planeten Uranus verführen?TK: Auf dem Hochzeitsturm an der Wilhelmsburg.
2. FRAGEN ZU VERKEHRSPOLITIK UND DEMOKRATIE
AKW: In welcher Straße würdest du deinen Enkeln (wenn du welche hättest) das Radfahren verbieten?
(Überlegt…)… auf der B10, wobei, neulich habe ich gelernt, dass der Schleifmühlenweg in Wiblingen sehr krass ist. Da bin ich selbst abgeschossen worden von einem rumänischen Torpedo, der ungebremst in uns reingefahren ist, als ich meine Tochter zum Reiten gefahren habe, da kam aus der Januarius-Zick-Straße einer, der mir die Vorfahrt genommen hat. Die Vorderfront war komlett ruiniert, dann kamen Anwohner, die sagten: „Ist ja kein Wunder! Die fahren alles so!“
Wahrscheinlich gibt es unzählige Orte, wo es sinnvoll wäre, nicht Fahrrad zu fahren.
TK: Ich plädiere immer dafür und fahre auch selber Fahrrad, dass wir jetzt nicht die Fahrradwege auf den Hauptverbindungsstraßen platzieren, sondern dass wir eigene Wege schafen. Die Fahrradfahrer haben schon genug mit sich selbst zu tun, da jetzt immer mehr Elektrofahrräder und Lastenräder unterwegs sind, ist das schon Gefahr genug. Da jetzt auch noch den Konfikt mit dem PKW zu suchen, bzw. die Verdrängungs -Attacke auf den PKW zu schießen… Die armen Fahrradfahrer…
AKW: Die Frage ist nur, ob die Infrastruktur das hergibt.
TK: Es gibt ja schon genug Achsen durch die Stadt, wir müssen nur die Lücken schließen. Auch nach Böfngen gäbe es genügend Möglichkeiten, das ist ja alles in Planung, aber die Mittel sind zu wenig.
AKW: Wir würden gerne wissen, welche Strategie die CDU in der Verkehrswende verfolgt.
Was hältst du davon, die schwächsten VerkehrsteilnehmerInnen als Maßstab zu nehmen und an deren Bedürfnissen den Verkehr auszurichten: Kinder, ältere oder gehbehinderte Menschen.
Beispielsweise durch längere Grünphasen an Ampeln, Tempo 30 in der Innenstadt, sichere Radwege und und sichere Fußgängerwege. Insgesamt Tempo drosseln und den nicht-motorisierten Verkehr attraktiver machen.
Im Moment gilt das Recht des Stärkeren, ganz im Sinne der autogerechten Stadt, einem Verkehrsmodell der 50/60iger Jahre.
TK: Zunächst geht es um die maximale Funktionsfähigkeit bei geringster Gefahr. Mobilität heißt ja, ich muss von A nach B kommen, also muss der Verkehr so organisiert sein, dass es auch funktioniert: Fortbewegung muss einfach angenehm sein, Menschen sollen keine Zeit verlieren. Für alle Verkehrsteilnehmer muss der Verkehr so organisiert werden, dass sie keinen Stress erleben, sie nicht einen großen Teil ihrer teuren Lebenszeit auf der Straße lassen, oder sogar in Konfikte verwickelt werden. Von daher ist die große Kunst, es so zu organisieren, dass wir im Prinzip das Mengengerüst, was wir ja selber auch jeden Tag produzieren, abgewickelt bekommen.
Die nächste Frage ist, mit welchem Antrieb dies geschehen wird. Es geht darum, dass der möglichst low- carbon ist, also „zero emission“. Die CDU hat sich klar dafür ausgesprochen, dass wir nach einer Übergangszeit E-fuels einsetzten werden, also synthetische Kraftstoffe und dann emissionsfrei werden. Wahrscheinlich ist es realistisch, dass der mobile Individualverkehr, also PKW durch Elektroantrieb emissionsfrei wird, dafür wurde ja schon Infrastruktur geschafen, dass LKWs und die Bahn Wasserstof angetrieben sein werden und bei den Bussen werden wir sehen, wie schnell die Industrie entwickelt und was sich technologisch durchsetzt.
Es geht drum, die längste Strecke mit dem wenigsten Verbrauch, möglichst leise und klimaverträglich zu bewältigen.
AKW: Gesetzt wird also schon auf den Individualverkehr?
TK: Die CDU hat ja in der Regierungskoalition massiven Bahnausbau beschlossen, hat ein Programm aufgelegt mit jährlich 8 Milliarden Euro Investitionen, in die Reaktivierung der alten Bahnlinien, neue Antriebsköpfe, wir haben uns für eine Mehrwertsteuersenkung bei der Bahn eingesetzt, und dafür, die Nachtzüge wieder einzuführen. Das heißt, die Bahn ist sicherlich der Hauptverkehrsträger, was die großen Achsen betrift. Der Punkt ist, er muss angenommen werden. Wenn die Leute viel günstiger fiegen, setzt sich niemand in den Flixbus.
Auch das steht in unserem Programm: Dass wir die Subventionen für den Luftverkehr abschafen wollen und die Bahn vergünstigen werden. Aber die Unwucht ist im Moment zu groß um ein attraktives Angebot zu machen. Momentan herrscht ein extremer Preiskampf, die ganze Flugwirtschaft hält sich durch die Coronakrise mit Subventionen über Wasser.
Generell will jeder schnell von A nach B kommenden, und da sind viele auf den Flugverkehr eingestellt. Ich selbst habe im letzten Urlaub alles mit der Bahn gemacht, wir sind über die Alpen gewandert und mit dem Zug zurück gefahren, man braucht dann aber auch von Meran aus sechs Stunden mit dem Zug.
Wenn wir unsere Gesellschaft auch auf entschleunigte Mobilität umstellen wollen, muss man auch die wirtschaftlichen Voraussetzungen schafen, dass sich das jeder leisten kann.
AKW: Es hat sich ja auch gezeigt, dass man nicht bei jedem Termin vor Ort sein muss.
TK: Die meisten überlegen sich jetzt dreimal ob man bei einer Veranstaltung persönlich erscheint, das muss man sich bewahren.
AKW:. ‚Mitgestalten‘ ist ein Schlagwort das zur Zeit oft fällt. Wir hörten in einer Rede bei der Jubiläumsfeier “75 Jahre Demokratie in Ulm“, dass Menschen, die das Gefühl haben, sie können mitbestimmen, weniger zu Radikalisierung neigen.
Nenne uns bitte drei konkrete umsetzbare Vorschläge, wie BürgerInnen zu politischer Beteiligung aktiv werden können.
TK: Ich weiß nicht, ob man jeden dazu bewegen muss, eine gewisse Bereitschaft braucht man auch um was zu wollen. Wer keinen Willen hat, wird sich sicherlich nicht aktivieren lassen, manche können es auch nicht weil sie krank sind oder was auch immer..
Grundsätzlich ist es schon wichtig, zu vermitteln, und da bin ich auch persönlich überzeugt davon, dass unser Staat grundsätzlich jedem Möglichkeiten bietet, sich selbst zu verwirklichen.
Etwas zu unternehmen, ein Unternehmen zu gründen, eine Gaststätte zu betreiben, sich zu verwirklichen, Kommunikation zu betreiben, professionell oder hobbymäßig, man muss es nur tun. Wer irgend etwas tut, aktiviert sich selbst, der sieht den Fortschritt, den Mehrwert und kommt dadurch in eine Verantwortung hinein, das ist ein Mitwirken am Ganzen.
Das sind ja alles Dinge, wo man schon gefordert ist und wo man im Prinzip eine Richtung vorgibt, Bedingungen formuliert, wie dein Unternehmen, deine Gaststätte, dein Bauernhof, vorankommt, mehr Möglichkeiten zum Erfolg, zur Vernetzung hat, und das ist ja schon stark politisch, da ist man mittendrin in der Politik.
AKW: Der Staat als Dienstleister: Wie wäre es, den Menschen mehr Verantwortung zu übertragen bei weniger Einschränkung und weniger Vorgaben?
TK: Die Beschränkung ist ja im Moment nicht da, es sein denn, man will Rollrasen auf den Hauptverkehrsachsen legen.
AKW: Wir verstehen das als kulturellen Beitrag
TK: Während der Kulturnacht fnden ja auch Nachbarschaftsfeste statt, wenn ich da an die Syrlinstraße denke, die machen das immer sehr nett, mit Musik und so weiter.
Da sind keine Grenzen gesetzt, wir mussten neulich in der Friedensstraße gemeinsam Ausholzen, da haben wir alle Sägen in die Hand genommen und haben das gemacht, eine tolle Gemeinschaftsaktion, man muss es nur machen und wollen.
Zusammenzubleiben, an einem Strang zu ziehen, ein Ziel langfristig zu verfolgen, das ist das Schwierige! Wir haben jetzt in der Friedrichsau mit In Dauna einen tollen Sommer 2020 gehabt, 2021 war es wieder schwieriger, da gab es unterschiedliche Musikinteressen, manche haben sich zurückgezogen, aber da zusammen zu bleiben, mit aller Lebensenergie das weiter zu machen, das ist schon gut.
Allein über unser Vereinswesen gibt es unzählige Möglichkeiten, Dinge voranzubringen. Mittlerweile bin ich glaube Mitglied in zwanzig Vereinen.
AKW: Gibt es ein Erlebnis, eine Initialzündung, welches dich politisiert hat?
Ich war das schon immer, weil ich mich immer für Gesellschaft interessiert habe, der Kalte Krieg, das besetzte Berlin, das waren natürlich in unserer Zeit damals die großen Themen. Das Erleben von Freiheit, mit 17 haben wir das erste mal Interrail gemacht, sind durch sechs Länder gefahren, haben innerhalb von vier Wochen acht verschiedene Kulturen kennengelernt, hatten die Möglichkeit, überall hinzufahren, überall zu übernachten, das war ja ganz anders als in der Erzählungen unserer Großeltern, die mit vielen Beschränkungen aufgewachsen sind.
Diese Erfahrung prägte meine Aufassung vom Leben: „Du bist deines eigenen Glückes Schmied“, denn nur die eigene Schwäche ist der Hemmschuh dessen, was du nicht erreichen kannst – das war für mich schon ein tolles Spannungsfeld in dieser erlebten Freiheit der Nachkriegsrepublik.
Diesen Staat musst du verteidigen weil der bietet dir eigentlich alles, der einzige, der „ready to fail ist“, ist der Mensch selber. Und wenn du die eigene Schwäche überwindest, dann stehen dir alle Türen offen. Das war meine Prägung. Ich hatte nicht das große Ungerechtigkeitsgefühl, ich habe das selbst nie so erlebt. Von daher war es für mich immer ein freiheitlicher Ansatz, man muss nur seine Chancen nutzen, in die Hand nehmen, sich verwirklichen.
Ich bin erschrocken, dass es überhaupt keine Hindernisse gab.
Wir durften alles, es gab keine Grenzen, außer denen, die uns ohnehin nicht eingeengt haben.
Diese Grenzüberschreitungen gestatteten wir uns nicht, die Möglichkeiten waren unbegrenzt Die Freiheiten waren alle da, wir sind trotz kaltem Krieg in Sicherheit aufgewachsen, die auch spürbar war, das Einzige was zum Gruseln war, war die Ostgrenze, wenn man dort über den Transit angehalten wurde und sich flzen lassen musste, aber das war jetzt nichts, was einen täglich betrofen hätte.
AKW: Um diese Freiheit leben und nutzen zu können, muss man relativ angstfrei sein, ich glaube, es hängt auch davon ab, wie behütet man aufwächst, ob man in einem sicheren familiären Umfeld aufwächst. Da zeigt sich ein gesellschaftlicher Spalt
TK: Gerade deshalb sollten angstbesetzte Menschen vielleicht nicht die Staatsführung übernehmen, oder? Wenn man den ganzen Tag anklagt und anprangert, und wissen, was man nicht kann, sind das vielleicht nicht die richtigen Leute, mit denen man politisch arbeiten möchte.
AKW: Ja, und trotzdem sind sie auch Teil der Gesellschaft und man muss zusammen Gesellschaft formen.
AKW: In deiner langen politischen Laufbahn hast du viel angestoßen, bewegt und erreicht. Worauf bist du besonders stolz? Gibt es da etwas Besonders?
TK: Nö.
AKW: Gibt es eine große Enttäuschung in deiner politischen Laufbahn?
Worüber wir uns wirklich gefreut hätten, wenn die Untertunnelung der Neuen Straße geklappt hätte.
Wir haben wir uns sehr dafür eingesetzt, das wäre ein tolles Zukunftsprojekt gewesen, auch um die beiden Stadtteile wieder miteinander zu verbinden, das wäre für die Innenstadt sehr gut gewesen. Schade, dass das damals durch einen Bürgerentscheid verhindert wurde. Genauso fnde ich es jetzt schade, dass das, was man 20 Jahre versucht hat – die B10 zu Untertunneln, um Stadtraum zurückzugewinnen – jetzt wieder aufgehoben wird. Die Hofnung ist immer noch, unten durch zu kommen. Da sind einfach zu große Höhenunterschiede zu überwinden, vom Ehinger Tor kommend würde man dann katapultartig wieder nach oben fahren, das ist schon sehr gewollt, ob das dann Ingenieurs-technisch Hand und Fuß hat, ist fraglich.
Das wäre so ein Projekt gewesen, wovon die Stadt meiner Meinung nach wirklich proftiert hätte.
Das hätte auch nochmal die Organisation der Mobilität neu anstoßen können.
AKW: Ja, wenn man überlegt, wieviel Fläche man da wieder gewinnt, die man dann mit Bürotürmen bebauen könnte…
TK: Durch die Verlegung nach unten hätten wir zehntausende Quadratkilometer wieder zurückgewonnen. Ja, das ist schon eine der großen Enttäuschungen. Da scheiterst du dann eben an den Gegebenheiten, an der mangelnden Kühnheit, an dem fehlenden Mut der anderen Fraktionen.
3. FRAGEN ZUM EXPERIMENTIERFELD ROLLRASEN
AKW: Mit welcher Strategie wäre es deiner Einschätzung nach möglich gewesen, das Projekt „lieber Rollrasen als rollende Raser“ auf der KöWi umzusetzen?
TK: Ich glaube nicht, das es an diesem Ort umsetzbar ist.
AKW: Welche Strategie hättest du verfolgt?
Über Nacht hätte ich das einfach aufgerollt. Zu hoffen, dass du über zwanzigtausend Fahrbewegungen verlegen kannst, in einer Stadt, in der bereits drei Verkehrsachsen lahmgelegt sind, kann ich nachvollziehen, dass die Stadtverwaltung sagt, eine künstliche, künstlerische Stenose, oder einen weiteren Infarkt zuzulassen, das muss ich den Bürgern nicht zumuten.
Von daher kann ich es nachvollziehen, dass die Verantwortlichen das nicht auf ihre Kappe nehmen wollen. Eine Ad-Hock Aktion wäre vielleicht möglich…
AKW: Was würde deine Fraktion der Affäre König Wilhelm anbieten, wo und wie und unter welchen Bedingungen könnten wir den Rasen ausrollen?
TK: Wenn jetzt ohnehin die B10 tiefergelegt und umgebaut wird, es zur Wallstraßen- und Blaubeurer Tor – Sanierung kommt, muss ja die Straße zum Teil für Bauarbeiten stillgelegt werden. Dann könnte man ja in der Tat mal Rollrasen oberirdisch draufegen um diesen Eindruck herzustellen, wie würde es aussehen, wenn die Stadt nicht durch die B10 durchtrennt wäre so wie es ja auch schon vor hundert Jahren mal gewesen ist. Die Straßen werden in Teilabschnitten gesperrt werden, das wird kommen bis 2030.
Was natürlich immer noch unvollendet ist, ist die Neue Straße, da könnte man Rollrasen draufegen, man müsste eben fünfhundert Busse umleiten.
AKW: Vielleicht die Kreuzung Frauenstraße/Neue Straße?
TK: Ja, die Frauenstraße ist ein großes Thema, das hätten die Anwohner auch gerne. Wir wollten dort ja auch die Hauptfahrradachse legen, das wäre in der Tat eine würdige Ersatzmaßnahme, die ja auch die Parallele darstellt.
4. FRAGEN ZUR KUNST
AKW: Wenn du Künstler wärst, welches Kunstwerk im öffentlichen Raum würdest du dir einfallen lassen?
TK: schweigt…
AKW: brauchst du Stift und Papier?
TK: Ich würde etwas Architektonisches machen. Was mir gefallen hat war, als wir uns überlegt haben, wie die Wilhelmsburg erlebbar gemacht werden kann: das Prinzip war die Idee, dass man sie erklimmen kann, dass man Trittstufen anbringt und man das Gemäuer begehen kann, ein Kletterareal aus ihr macht. Dass man beispielsweise auch für Akrobaten Seile spannt, kleine Flugerlebnisse bietet, also die Instrumentalisierung eines Baus im öfentlichen Raums, der erobert werden kann und für die Bevölkerung erlebbar wird.
Das fand ich spannend an der Wilhelmsburg, weil sie das alles kann, und für jede Operation eine Möglichkeit bietet. Dort zu werkeln und gestalten, sie etwas aus der Blockhaftigkeit aufzulockern, ihr an verschiedenen Stellen ein anderes Gesicht zu geben, das fnde ich super spannend.
AKW: Was macht für dich ein starkes Kunstwerk aus ? Hast du ein Beispiel?
Es muss einen erschüttern, es muss einen erfassen, es muss in seiner Einfachheit einen existentiellen Zustand zum Ausdruck bringen. Das kann über Farbe geschehen, kann über das Motiv geschehen, oder über einen Gedanken, der das impliziert. Es muss dich in deinen Grundfesten erschüttern.
AKW: Welche Chancen sieht du in der wechselseitigen Befruchtung von Kunst und Politik?
Die Ars Politica ist eigentlich die Kunst der Vervollkommnung der individuellen Freiheit im Kollektiv. Die Schaffung größtmöglicher Freiheitsräume innerhalb des Kollektivs.
AKW: Hast Du selbst Beispiele, Erlebnisse, wo die Kunst dich im politischen Handeln inspiriert hat? Ja…unzählige, denn jede Architektur, die einen gelungenen Raum schaft, ist Kunst. Beispielsweise in Schwäbisch Gmünd, dort gibt es das Gartenschaugelände an dem man das sehen kann, man sieht das Vorher-Nachher, was alles möglich ist, wenn man eine Straße raus nimmt, das Wasser begehbar macht, einen KI-Kubus hineinbaut, und dann das Gelände terrassiert und arrondiert und so plötzlich Lebensräume entstehen, das ist großartig. In Überlingen kann man das auch nachvollziehen: wie die alte Uferstraße, die ein Damm gewesen ist, plötzlich wieder erlebbar gemacht wird, das ist Natur und Kunstwerk in einem.
Auch die Kunst der Rede ist im Politischen ganz wichtig, um alle gleichzurichtenb, für eine Idee zu begeistern.
AKW: Gute Reden zu halten ist furchtbar schwierig. Was bleibt, an was erinnert man sich bei einer Rede?! Wir haben ja den Peter Müller gehört..
AKW: Ja gneau, und das was hängen geblieben ist sind zwei Dinge: Kommunalpolitik ist Sysiphusarbeit und das Andere ist, wie wichtig es ist, das Menschen selbstwirksam sind und das Gefühl haben, mitwirken zu können, nicht überrollt zu werden. Und so Tenzenden zu Radikalisierung reduziert werden können.
TK: Max Frisch hat gesagt, Demokratie ist, sich in seine eigenen Angelegenheiten einzumischen. Der Satz stimmt, weil jeder hat eine eigene Angelegenheit, und wenn du das nicht wahrnimmt, reduziert
du dich im Grunde auf ein soziales Wesen, das nur seine basalen Bedürfnisse befriedigt.
18. Blick in die Zukunft: Was wünscht du dir für die Landesgartenschau?
Eine mutige Umsetzung, dass wir sie an der Donau entlang ausrollen, auch unter dem Eindruck, dass das ursprüngliche Konzept nur reduziert umgesetzt werden kann aufgrund der Renovierungsarbeiten an der B10 und aufgrund des geringen Raums der jetzt zur Verfügung zur Reurbanisierung steht. Von daher nutzt die Chancen, entlang der Donau und entlang dem Donauufer, das ist eine der großen Chancen die wir haben, das jetzt umzusetzten. Wir haben ja in den 80iger Jahren mit der Friedrichsau damit angefangen, aber jetzt kann das bis zur Adenauerbrücke geschehen. Dort gibt es noch unbearbeitetes Terrain.
Das Donauufer bietet Möglichkeiten des Erlebnisraumes, des Lebens am Wasser, auch die Frage wie man jetzt am Wasser unter Hochwassergesichtspunkten baut ist jetzt ein Gesichtspunkt.
Dort ein Experimentierfeld und ein kleines Labor zu schafen, das fnde ich spannend.
AKW: Es gibt ja dieses Beteiligungsformat, da werden dann fertige Konzepte präsentiert und man darf diese dann kommentieren. Mir würde es viel mehr Spaß machen noch mehr mitspielen zu können, ich fühle mich dabei ein wenig entmündigt.
RTK: Finde ich auch, wir haben ja schonmal diese runden Tische bei der Donauufergestaltung gemacht, da kamen dann viele Ideen, die dann wieder in der Schublade verschwunden sind.
Finde ich nicht gut. Man muß in der Tat Beteiligungsformen anbieten, wo man kleine Planareale gewährt und dann auch Umsetzungsmöglichkeiten eröfnet, nur so macht dann ehrlich gemeinte Bürgerbeteiligung auch Sinn. Aber dann zu sagen: jetzt denkt auch das mal aus, malt ein bisschen, und wir bügeln es dann wieder nieder im Gemeinderat, weil es nach Weisung der Stadtverwaltung nicht realistisch ist, das sorgt am Ende nur für Frust.
AKW: Mein Eindruck von dem Beteiligungsformat ist, man möchte den Leuten signalisieren daß man mitmachen kann, aber im Grunde stehen bereits die Pläne und entschieden wird woanders.
TK: Im Monet steht noch gar nichts. In der Tat besteht die Möglichkeit, sich so ein Areal zu schnappen wenn man beispielsweise urban gardening macht. Jetzt kann man diese Unorte von der Wilhelmsburg zur Donau entlang entdecken, man kann sagen, wir pfegen und hegen dieses, wir machen einen Pachtvertrag mit der Stadt, genau das ist jetzt der richtige Ansatz.
Bei den anderen großen Gartenschauen hat man es ja dadurch hingekriegt, dass man tausend Freiwillige gewonnen hat, die dann Gärten pfegen, Besucher führen, das ist auch eine große Identifkation mit der Stadt. Die Leute stehen davor und dahinter und machen die Gartenschau zu der ihren. Ich glaube, man kann das schon verstärkt so machen, indem man kleine Parzellen vergibt, wo Menschen sich künstlerisch oder botanisch verwirklichen können.
AKW: Man kann ja auch super Schulen miteinbeziehen und Patenschaften vergeben. TK: Die achttausend Kleingärtner könnte man miteinbeziehen.
AKW: Wir verfolgen das mit großer Spannung.
TK: Dann bewerbt euch doch…
AKW: Ja, ich hatte schon ein paar Ideen: angenommen man könnte eine Tunnellösung fnden, dann würde ich den Aushub von dem Tunnelbau nach nebenan zu einem Hügel aufschütten und dann so ein Stück Autobahnbrücke nehmen und aus dem Hügel rausragen lassen. Wie bei so einer antiken Grabungsstätte. Das wäre dann sozusagen das Symbol dafür, dass das alte Verkehrsmodell überwunden ist. Das gehört dann der Vergangenheit an und Ulm markiert diesen Punkt:
2030 LGS in Ulm. Hier beginnt die Zukunft…
Auf dem Hügel könnte man einen food forest anlegen und Wege zum Spazierengehen… TK: Es gibt da ja noch hier diesen gesperrten Tunnel am Willi Brandt Platz…
AKW: Danke dir, daß du dir soviel zeit genommen hast!
„You can´t always get what you want ….“
Interview mit Martin Rivoir, SPD, Kulturapotheke, 26.09.21

1. FRAGEN ZUM LEBENSMITTELPUNKT ULM
AKW: Wo befndet sich dein Lieblings-Aufenthalts Ort in Ulm?
M.R.: Das sind für mich die Treppenstufen an der Blau im Fischerviertel an der Zill. Es gibt dort keine Konsumpficht, dort kann man einfach so sitzen. Ein seltsam gewachsener Baum steht auch dort, ganz selten, so ähnlich wie eine Weide, es ist aber keine Weide. Das ist, wie ich fnde ein kleiner, feiner Ort einfach zum Entspannen und um mal da zu sitzen.
AKW: Welchen Ort in Ulm fndest du besonders atmosphärisch?
M.R.: Also wenn man abends auf den Münsterplatz kommt und dieses beleuchtete Stadthaus im Kontrast zum Münster sieht, fnde ich das immer noch eine wahnsinnige Geschichte, dass es damals realisiert worden ist. Das war der Urknall für die Ulmer Stadtentwicklung im 20. Jahrhundert, diese Spannung zwischen Alt und Neu, ergibt für mich den spannendsten Ort in Ulm.
Bei aller Kritik, die man dem Herrn Müller vielleicht entgegenbringen kann, was er da jetzt mit dem Abt und dem Motel One macht – es wird den Platz absolut ergänzen, das wird eine ganz tolle Geschichte.
Sehr spannnend, denn es war in der Nachkriegszeit die Diskussion, (nein, da war ich noch nicht dabei, so alt bin ich dann auch nicht) ob man eben die Giebelstände zu Straße hin baut oder die Dächer.
Damals war die Idee, das Moderne, Neue, das Rausgehen aus dem Mittelalter quasi, daß man die Dächer, so wie es beim Abt war, Richtung Straße und Platz baut, was ja aus der heutigen Sicht katastrophal aussieht. Der Architekt Richard Meier hat in seinem Stadthaus diese Giebelstruktur des Platzes auf dem Dach mit seinen drei Giebeln aufgegrifen, nur der Abt selber war ohne diesem Dach Richtung Platz. Jetzt greift das Motel One die Architektur des Stadthauses wieder auf, dessen drei Giebel, spiegelt die auf der anderen Seite und stellt so eine historische Stadtstruktur wieder her, der Platzt wird sozusagen architektonisch geheilt und diese Entwicklung zieht sich über die Jahrhunderte durch und hält an, das wird ein ganz großer Wurf, den ich sehr spannend fnde.
AKW: Der Gegenpol Stadthaus bringt das Münster durch den Kontrast noch besser zur Geltung. M.R.: Ja, aber der Bau war natürlich ein Aufschrei zu der Zeit, das war 1986, da bin ich das Erste mal in den Gemeinderat gewählt worden und die Beschlüsse ums Stadthaus herum habe ich mitbekommen, eine sehr prägende Zeit für mich und die Stadt. Alles, was später dazukam, die Münsterbauhütte mit der modernen Architektur, die Bibliothek, die Neue Mitte, das sind alles Dinge die eigentlich nur möglich gewesen sind, weil damals der OB Ludwig – und das verbinde ich ganz klar mit seiner Person – das Stadthaus unbedingt haben wollte, der Gemeinderat in seiner Mehrheit dahinter stand und diese Dinge durchgedrückt hat, auch gegen die Bürgerbewegung, die damals im konservativen Lager sehr stark war.
AKW: Ulm 2050, wie stellst du dir die Stadt vor?
2050 ist jetzt noch ein weiter Weg, aber ich glaube wir haben jetzt mit der LGS 2030 die große Chance, ein paar Dinge grundlegend zu verändern und mehr Grünfächen in die Stadt zu bringen. Denn das Hauptproblem in der Stadt ist der Autoverkehr.
Die Frage ist, wie die Mobilität stattfndet, und die wird und muß 2050 ganz anders sein als sie heute ist: Weniger Autoindividualverkehr, auch weniger Elektroautos, weil auch die Straßenraum binden und Abstellfächen brauchen. Ich hofe, da bin ich dann 90, dass wir eine weitere Straßenbahnlinie die beispielsweise nach Ludwigsfeld zu den Baggerseen fährt, haben werden. Wenn man eine schöne und ökologische Stadt haben will, dann ist der Straßenbahnausbau das der Rückgrat des Verkehrs.
Und das was die Innenstadt angeht, Verkehrsberuhigung und Fußgängerzone, da sind wir ja eigentlich schon ganz gut vorangekommen, es sind auch noch ein paar Schritte geplant, das ist alles gut so, und dann wird Ulm natürlich durch die Neubaustrecke Ulm-Stuttgart – die jetzt in wenigen Jahren in Betrieb geht – wird eine ganz neue Dynamik entstehen, davon bin ich überzeugt, und deswegen muß man auch das was hinterherkommt an Verkehr und Mobilität auch anders organisieren. Also, Straßenbahn, S-Bahn, sind jetzt Dinge, die sind und werden wichtig blieben. Bestrebungen sind da schon im Gange.
AKW: Neulich bin ich in Köln mit der Seilbahn über den Rhein gefahren. Man schwebt über den Verkehr, die Stadt. Denkt Ulm dieses Fortbewegungsmittel mit?
M.R. Ja, es gab eine Untersuchung eine Seilbahn zu bauen vom Bahnhof in Neu-Ulm über den Ulmer Bahnhof zur Wilhelmsburg hoch. Den Ast nach Neu-Ulm hat man relativ schnell beerdigt, weil das viel zu teuer wird und man stark in die Höhe gehen müsste, und auch den anderen Ast, der vom Ulmer Hauptbahnhof über die Gleise zur Wilhelmsburg hoch ginge, hat man beerdigt. Man müsste mehrere Masten in 60 Meter Höhe bauen, die dem Stadtbild nicht zuträglich sind und der Bau bewegt sich in zweistelliger Millionenhöhe, weshalb das Seilbahnprojekt nicht realisiert wird.
Ich bin nach wie vor der Meinung, daß man die Wilhelmsburg mit einer kürzeren Seilbahn erschließen könnte, vom Lehrer Tal, der Straßenbahnhaltestelle aus rüber und hoch zur Wilhelmsburg, das ist auch teuer –
AKW … und rechtfertig sich kaum, oder?
MR: Naja, es ist besser als ein Parkhaus mit 700 Plätzen an den Friedhof zu bauen.
AKW: und sie schaft vielleicht einen Anreiz die Wilhelmsburg zu besuchen, schon alleine wegen der Seilbahn.
MR: Das wird jetzt das größte Problem sein in den kommenden Wochen und Monaten, zu klären, wie man die Wilhelmsburg erschließt, auch im Rahmen der Gartenschau, denn da ist ziemlich viel verkorkst worden und da muß man nochmal auf Null setzen, neu denken, von Außen Leute holen, die Ideen mitbringen und die sich mit Neuer Mobilität auskennen, wir sind da vielleicht selber schon etwas betriebsblind… Also: Eine Seilbahn wäre nett, aber teuer.
AKW: An welchen Ort der Zukunft in Ulm würdest du deine heimliche Geliebte des Planeten Uranus verführen?
M.R. Woher wisst ihr von… lacht. Habe ich da was versäumt, muß ich da was wissen, gibt’s da Literatur oder so?
AKW: Nein, das ist eine rein fktionale Frage, da darfst du mit Phantasie rangehen!
MR: Ja, dann nehme ich doch ganz klar das große Giebelzimmer im Motel One gegenüber vom Ulmer Münster!
2. FRAGEN ZU VERKEHRSPOLITIK UND DEMOKRATIE
AKW: In welcher Straße würdest du deinen Enkeln das Fahrradfahren verbieten?
M.R. Zunächst mal in der Olgastraße, also hier ist es sicher schwierig, aber man hat ja Parallelstraßen auf denen man radeln kann. Die Wagnerstraße ist schwierig zum Fahrradfahren, da ist alles eng mit der Straßenbahn und obwohl es erlaubt ist, würde ich es einem Kind dort verbieten. Ich bin ja selber in der Innenstadt immer mit dem Rad unterwegs und es gibt einige Stellen, wo man noch was für die Fahrradfahrer machen kann, aber so schlecht, wie es immer dargestellt wird, ist es auch nicht.
AKW: Was hältst du davon, die schwächsten Verkehrsteilnehmer als Maßstab zu nehmen und an deren Bedürfnissen den Verkehr auszurichten, beispielsweise durch längere Grünphasen an Ampeln, Tempo 30 in der Innenstadt, sichere Rad- und Fußgängerwege?
M.R. Ja, das ist genau richtig, man muß die Verkehrspolitik auf denen aufbauen, die am schwächsten sind. Natürlich ist diese Stadt völlig Auto-orientiert, wenn ich von hier in die Weststadt fahre, dann können die Autos alle geradeaus durchfahren und ich als Radfahrer muss um zwei Ecken fahren und an Ampeln warten. Die Denke ist immer vom Auto aus, ein Problem in vielen Städten. Also wer käme auf die Idee, bei einer Baustelle den Radweg durchgängig zu lassen und die Straße für die Autos zu sperren? Niemand, sondern da wird zuerst der Radweg gesperrt, dann der Fußweg.
Für mich ist das E-bike die wichtigste verkehrliche Innovation des letzten Jahrzehnts, denn es bringt auch den schwächeren und beeinträchtigten Verkehrsteilnehmern eine neue Reichweite. Deswegen ist das Fahrrad, neben dem Fußverkehr, das Verkehrsmittel der Zukunft in den Städten, auf das muss man setzen und wie jetzt in der Münchner Straße die Diskussion um die geplante Fahrradspur führen, dann gibt es eben Autostau.
AKW:
Wir waren auf der Jubiläumsfeier, 75 Jahre Demokratie in Ulm, da haben wir in einer Rede gehört, daß Menschen, die das Gefühl haben politisch mitzureden, weniger zu Radikalisierung neigen. Wir würden gerne von dir drei konkrete, umsetzbare Vorschläge hören, wie man Bürger und Bürgerinnen zur politischen Beteiligung motiviert und sie bei der Stange hält und zu Ergebnissen kommen lässt?
..
MR: Der demokratische Willensbildungsprozeß, das steht im Grundgesetz, fndet über Parteien statt. Natürlich ist es immer ätzend und zäh diese ewigen Diskussionen in jeder Versammlung, egal welcher Partei, aber die Debatte ist eben unser demokratisches Instrument zur Willensbildung.
Es gibt durchaus außerhalb der Parteien Beteiligungs-Möglichkeiten, in Ulm die regionalen Planungsgruppen, aber da gehen wirklich nur Freiwillige hin, ohne eine demokratische Legitimation. Ich könnte mir vorstellen, daß man irgendwann in Ulm Bezirksbeiräte wie z.B. in Stuttgart einführt, also ein von den BürgerInnen demokratisch gewähltes Gremium. Man muss schon aufpassen, es ist auch meine Erfahrung, dass die Leute frustriert den Rücken kehren, wenn sie ihre eigenen Interessen nicht durchsetzten können. Aber: Demokratie und Stadtgesellschaft ist immer die Suche nach einem Kompromiss. Wenn ihr gerne Rasen auf der KöWi hättet, gibt es hundert Andere die lieber bei Teer bleiben würden und jetzt muß man entweder miteinander reden und verhandeln oder es wird demokratisch entschieden und abgestimmt.
AKW: heißt, es gibt viele Menschen, die Lust haben, ihre Ideen durchzusetzen, aber keine, die sich auf Kompromisse einzulassen. Ist der Mensch verhandlungsunfähig?
MR: Die Rolling Stones haben ein Song: „You can ́t always get what you want“ und das ist für mich der Inbegrif von Demokratie. Konsens fnden, verhandeln, Kompromisse suchen.
Mir fällt häufg auf, dass die Leute innerhalb ihrer Blase berührt sind, aber sobald es darüber hinaus geht, verlieren sie das Interesse.
Wenn wir im Gemeinderat oder z.B. Bauausschuß sitzen und 20 spannende Tagesordnungspunkte haben, ist der fünfte ein Bebauungsplan, über den sich Menschen aufregen und zu dem sie kommen um zuzuhören, doch sobald er abgehandelt ist, rennen sie raus. Anstatt sich mal eine halbe Stunde Zeit zu nehmen und zu gucken, was sonst noch in der Stadt los ist. Schade.
Deswegen glaube ich, muss man in den Schulen ganz früh ansetzen und das Demokratieverständnis legen, die Debattenkultur üben. Und dass nicht immer nur der eigene Hinterhof wichtig ist, sondern dass man sich auch für andere Themen interessiert, lernen, größer zu Denken.
AKW: Menschen geraten in Panik, wenn sie vor vollendete Tatsachen gestellt werden, weswegen wir ein temporäres Experimentierfeld wollten.
Wenn man weiß: das stehen wir jetzt ein paar Wochen durch und dann ist der Rollrasen wieder weg und alles ist wie vorher. Dann hätte man einen absehbaren Zeitraum in dem man eine Utopie ausprobieren kann, vielleicht auch mehr wagen kann weil man mal keinen Kompromiss eingeht, sondern etwas radikal ausprobiert und einen großen Schritt macht. Das ist vielleicht die Stelle, wo die Kunst greifen kann, denn die Kunst hat andere Argumente als die Politik, vielleicht ist die politische Argumentation schwieriger…
MR: Nein, mit der Kunst kommst du an die Leute noch schwieriger ran… Also, ich mache ja nicht alles, aber ich bin kulturpolitischer und war verkehrspolitischer Sprecher meiner Landtagsfraktion, sehr gegensätzliche Bereiche. Bei der Kulturpolitik sind sie alle froh wenn überhaupt einer was sagen kann und meistens sind sie auch still und schweigen andächtig, und bei der Verkehrspolitik gibt es immer Stress und Ärger, weil letztendlich die meisten hinterm Steuer sitzen und die Welt durch ihre Windschutzscheibe betrachten. Die Kunst kann politisch dazu beitragen, Denkprozesse anzustoßen.
AKW: Ganz wichtig ist doch, dass viele Perspektiven zusammen kommen; Diversität als Prinzip, Meinungsvielfalt.
Da entsteht viel mehr als wenn nur Leute aus der einen Denke versammelt sind.
MR: Ja, das ist ja auch das, was wir mit Corona und Querdenkern lernen, man ist in seiner Blase auf Instagram, auf Facebook, Telegram und man wiederkäut seine eigene Meinung. Ich bekomme zur Zeit nur Olaf Scholz von meinem Algorithmus serviert, ich brauche das eigentlich nicht, aber das ist meine Blase. Von Laschet habe ich noch nie was gesehen. Das ist meiner Meinung nach aber ganz wichtig, dass die verschiedenen Gruppen, die unterschiedlichen Sphären in Kontakt kommen und miteinander reden.
AKW: …die große Gefahr der Digitalisierung, der böse Algorithmus, subversive Manipulation. MR: Also ich bin jetzt überzeugt, ich wähle Olaf Scholz.
3. FRAGEN ZUR POLITISCHEN LAUFBAHN:
AKW: In deiner langen politischen Laufbahn hast du viel angestoßen, bewegt und erreicht. Worauf bist du besonders stolz?
M.R.: Das ist völlig klar: Auf die Ulmer Synagoge. Das war in den Nuller Jahren eine riesen Diskussion, damals kamen immer mehr russische Staatsbürger zu uns, manche waren jüdischen Glaubens und natürlich wurde der Wunsch laut, eine Synagoge zu bauen.
Ivo Gönner hatte dann die Idee, einen Platz in der Neustadt, in der Wildstraße, zu suchen also völlig abseits vom Geschehen.
Für mich war es völlig klar, dass das nicht sein kann, und es gab den Platz am Weinhof, dort war ja früher ein Parkplatz, fünfzig Meter entfernt vom Standort der alten Synagoge. Ich bin dann zum Rabbi gegangen und habe ihm das aufgemalt, und er sagte, das sei zwar genau der richtige Platz, aber das würde sich niemals durchsetzen lassen.
Wir sind dann zum OB, der fand das auch gut, aber wir waren uns nicht ganz sicher, ob der Gemeinderat den Vorschlag unterstützen würde, aber der hat dann in einer ofenen Abstimmung ein einstimmiges Votum dafür gegeben.
Ich will nicht pathetisch sein, aber diesen kleinen Beitrag zur Versöhnung zu leisten, das ist das Projekt auf das ich besonders stolz bin.
AKW: Weshalb hast du dir anfänglich gedacht, dass dieser Standort keine Chance haben würde? MR: Weil er so zentral ist.
AKW: Genau in der Zeit muss es doch ganz klar gewesen sein, dass man so ein Gebäude direkt ins Zentrum stellt.
MR: Ja, natürlich, es gab auch immer die Diskussion um diesen Weinhof, der weitläufg ist und irgendwie gefasst werden müsste. Dort kann man ja kein Bürohaus hinstellen, an diesen historisch bedeutsamen und ältesten Ort in der Ulmer Stadtgeschichte, da passt die Synagoge städtebaulich und vom Geist her hin.
Im Gemeinderat, das kann man ruhig mal so sagen, gab es Diskussionen wie: “aber gell, die Bäume bleiben schon stehen, dass man das nicht so sieht“ – das war um das Jahr 2000!
AKW: Erinnerst du dich an die größte Enttäuschung deiner politischen Laufbahn?
M.R.: Ja, das war sicher der Bürgerentscheid über das Fünf-Linien-Netz der Straßenbahn, das war 1999, als dieses Projekt von der Bürgerschaft abgelehnt worden ist. Das ist auch so ein Beispiel, erst ein paar Jahre vorher hat man den Tunnel in der Neuen Straße abgelehnt, dann meinte man, die Ökostadt sei ausgebrochen, alle wollen nur noch ÖPNV, die Straßenbahn, und dann hat man es geplant und zur Abstimmung gestellt und dann wollten sie doch auf einmal alle im Auto bleiben.
AKW: Wie bist du politisiert worden?
M.R.: Meine Eltern waren nicht in einer Partei, aber sozialliberal ausgerichtet, mein Großvater war in der SPD. Man hat bei uns daheim schon Politik diskutiert, aber meine erste Erinnerung als Zeuge großer Politik ist, als Willy Brandt Bundeskanzler wurde, da war ich neun, ein sehr einprägsamer Moment. Politisiert worden bin ich in meinen 20ger Jahren, meiner Studentenzeit durch die AKW-Bewegung. Obwohl ich Ingenieur bin, war das für mich damals schon das Teufelszeug, nicht wegen der Technik, die bekommt man wahrscheinlich in den Grif, aber wegen der Folgen: weil man für hundert Jahre Uran verbrennt und für zehntausende von Jahren den Generationen nach uns den Müll hinterlässt. Ich bin also aufgrund moralischer Fragen zur Anti-AKW-Bewegung gekommen.
AKW: Warum bist du dann nicht zu den Grünen gegangen?
MR: Die waren damals erst in der Gründung, habe ich mir auch überlegt. Als Student habe ich im wilden Mann gearbeitet, und da war jeden Freitag ein SPD Stammtisch, da war auch der Ivo Gönner und da haben sie alle gesessen und diskutiert und irgendwann hat es Bumm gemacht und dann war ich dabei.
AKW: Bist du mit dem Mut zu politischer Mitgestaltung und Beteiligung aufgewachsen oder gab es da eine Initialzündung?
MR: So genau weiß ich das gar nicht mehr, ich bin ja da drüben aufgewachsen, in der Steingasse, das war ein UWS Wohnblock. In den 60iger Jahren gab es dann die Überlegung, die Häuser abzureißen und eine Tiefgarage zu bauen. Mein Vater hat dann eine Bürgerinitiative gegründet, die Unterschriftenliste habe ich heute noch, und damit ist man dann ins Rathaus, zu Udo Botzenhardt, das weiß ich noch relativ genau. Das war vielleicht ein Beispiel aus der Familie, da hat man sich gewehrt. Und meine Töchter sind auch renitent, also insofern…
AKW: hofentlich nicht in der gleichen Partei!
MR: nein öh, ich glaube die eine ist in der Antifa in Leipzig unterwegs…. AKW: … mit der SPD nichts am Hut?!
MR: nein, bei den Linken…
AKW: cool!
4. FRAGEN ZUM EXPERIMENTIERFELD ROLLRASEN
AKW: Mit welcher Strategie wäre es deiner Einschätzung nach möglich gewesen, das Projekt „lieber
Rollrasen als rollende Raser“ auf der KöWi umzusetzen?
Oder, wie wären die politischen Wege gewesen, wir haben ja erste den Verwaltungsweg gewählt, sind da abgeprallt, und uns würde interessieren, welche Strategie hättest du gewählt, um da erfolgreich zu sein?
AKW: Das fragen wir dich als Profi, wir kommen ja aus der anderen Blase
MR: Es wäre vielleicht erfolgreicher gewesen, wenn ihr euch anfangs in der Politik vor getastet, und mit allen Fraktionen darüber geredet hättet. Es hätte bestimmt einige Absagen gegeben, aber ich denke bei uns und auch bei den Grünen, vielleicht auch bei Anderen, wärt ihr sicher auf Sympathie gestossen.
Wenn man zur Verwaltung geht ist es hilfreich, man hat etwas politischen Druck dahinter. So eine temporäre Aktion kann man da vielleicht immer noch machen…
AKW: Was würde deine Fraktion der Affäre König Wilhelm anbieten? Wo und unter welchen Bedingungen könnten wir den Rasen ausrollen? Würdet ihr unsere Utopie um „Lieber Rollrasen als rollende Raser“ unterstützen?
MR: Ja warum denn nicht?! Also ich fnde, wenn das eine Kunstaktion ist, so wie ihr das anlegt, als temporäre Skulptur, why not, ich fnde das ist eine gute, interessante Geschichte, auch dieses Wortspiel ist ja ganz witzig. Dann muss man halt ins Gespräch kommen für nächstes Jahr, was vorbereiten, vielleicht ist es ja auch nur ein Wochenende, oder einen Sonntag…
AKW: du du siehst also nicht die sechs Wochen oder drei Monate, die wir für diese temporäre Skulptur bräuchten?
MR: Nein, die sehe ich ganz sicher nicht. Ich war am Wochenende in Paris, das war ein Traum, um den Triumphbogen von Christo zu sehen, und selbst dort war es nur möglich von Samstag Abend bis Sonntag die Champs-Elysee zu sperren, ansonsten rollt der Verkehr, man muss dann halt praktisch sein.
Man könnte das ja auch so gestalten, dass womöglich ein Teil raus genommen werden kann, dass unter der Woche Autos fahren und am Wochenende wird der Rasen wieder ausgerollt. AKW: Gute Idee, der Rasen klappt immer hoch und runter, wir installieren eine Zugbrücke, der rollt sich auf und wieder zu bei jedem Auto… Angenommen du könntest das entscheiden, wo wäre denn der richtige Ort für Dich?
MR: Ja, das ist schon genau der, den ihr ausgesucht habt in der König-Wilhelm-Straße, da stört es ja maximal.
AKW: stimmt.
MR: vielleicht muss man das Rasenfeld so verschieben, dass man aus der Wielandstraße raus käme, wobei es Alternativstrecken über den Staufenring gibt.
AKW: Wir sind diskussionsbereit.
MR: Da unten, am Kongresszentrum gibt es den Platz, der keinen Namen hat…
AKW: Merkel Platz wär jetzt zu haben.
MR: Gott, ja, das kommt auch noch auf uns zu – Kneef Platz heißt er, weil die in Ulm geboren ist, im Nachbarhaus meiner Mutter aufgewachsen.
Da unten war es jedenfalls auf einmal möglich, weil die Brücke fast zusammenbricht, ein paar Spuren dauerhaft wegzunehmen. Ganz frech wäre es natürlich, dort auf den gesperrten Fahrspuren Rasen auszurollen, aber das ist glaube nicht das Ziel..
AKW: Nein, wenn die Spuren wieder ofen sind, dann werden wir dort Rasen verlegen!
MR: das war jetzt die Falle, die ich euch gebaut habe… Also ich fnde das prinzipiell in Ordnung, man muss das temporär probieren und sagen, wenn ihr das sechs Wochen aufbauen wollt, muss man vielleicht den Kompromiss fnden, das Ganze unter der Woche wieder zurück zu bauen damit der Verkehrsfuss nicht gestört ist. Wie gesagt, nicht mal für Christo ist es möglich, sich über die Hauptverkehrsadern einer Stadt hinwegzusetzen.
5. FRAGEN ZU KUNST:
AKW: Wenn du Künstler wärst, welches Kunstwerk im öfentlichen Raum lässt du dir einfallen? Du darfst groß denken!
(MR scrollt am Handy)
AKW: ah, jetzt kommen die Skizzen… MR: Ich habe einen Freund, das ist der Johannes Pfeifer ein Ulmer Künstler, der nicht mehr hier lebt, aber der hat am Kongresszentrum diese Backstein Skulptur geschafen, eine schräg stehende Wand aus Backsteinen und jeder Stein ist von hinten mit einem Seil im Boden verspannt. Und letzten Sommer…Also ich schau grad nicht meine Mails an, hat was mit euch zu tun. Moment… (scrollt an seinem Handy…)
AKW: das ist jetzt aber nicht deine Idee, sonder die von Deinem Freund…
MR: jetzt warte halt mal…(scrollt) AKW: Abkupfern kommt ganz schlecht an bei den Kollegen…
MR: Ich bin nicht der Künstler, sondern der Ermöglicher. Pfeifers Projekt mit großer medialer Aufmerksamkeit war, wie man den schiefen Turm von Pisa rettet, da gab es eine tolle Grafk mit verspannten Seilen. Ich laufe also im März die Stadtmauer entlang und frage mich, warum hat der denn noch nie was am Metzgerturm gemacht, der ist noch schiefer als der schiefe Turm von Pisa?! Pfeifer hat auf daraufhin eine Skizze gemacht, es soll aussehen, als ob der Turm an Seilen hängt. Das heißt, ich hatte die Idee, habe einen begnadeten Ausführenden und ich habe Sponsoren gesucht und jetzt wird diese temporäre Skulptur für nächsten Sommer realisiert – ganz offziell ist es noch nicht.
AKW: Was macht für dich ein starkes Kunstwerk aus?
MR: Es muss einen anrühren, nachdenklich machen oder man darfs einfach schön fnden.
Hans Peter Haas, das ist der weltbeste Siebdrucker, hat seine Werkstatt in Leinfelden- Echterdingen, hat viel von Hans Mack mit den leuchtenden Farben gemacht, sagte bei seiner Ausstellung hier in Ulm: „Kunschd muss eufach schee sei.“
Der Christo, als ich vor dem Triumphbogen stand, das rührt mich emotional an, hat für mich eine weitere Dimension weil wir den verhüllten Reichstag besuchten als meine Tochter noch ein Kleinkind war, da spielen Erinnerungen mit rein, man steht davor, ich weiß nicht warum, es ist einfach überwältigend und schön, ein ästhetischer Genuss, man muss die Wirkung nicht beschreiben – starke Kunst muss mich anrühren.
AKW: Welche Chancen siehst du in der wechselseitigen Befruchtung von Kunst und Politik? MR: na da sitz ich ja mittendrin. (lacht) Die richtig guten Politiker bilden eine Corona aus Experten der verschiedenen Wissenschaften, auch Künstlern und Philosophen zur Beratung um sich. Willy Brandt hat sich mit Grass und anderen Künstlern umgeben. Gerhard Schröder, der ja in der Zwischenzeit nicht mehr so beliebt ist, war immerhin Bundeskanzler als die SPD noch 40 Prozent hatte, natürlich ist er ein Macho und so weiter, trotzdem, war er der erste Bundeskanzler, der sich von Gremien aus Experten zu verschiedenen Themen beraten lassen hat, weil er den Konsens der Wissenschaften zu Reformen sicherstellen wollte. Diese gegenseitige Inspiration, der Perspektivwechsel muss für richtig gute Politiker sein. Das lebe ich auch, gehe heute Abend natürlich zum Schrade auf die Vernissage, bin mit den Freunden des Ulmer Museums zugange, fahre morgen nach Stuttgart ins Theater, da kommt ja immer was von Außen an mich ran. Ivo Gönner konnte das sehr gut, der hat die verschiedensten Menschen auf dem Sofa die an ihn hingschwätzt haben, der hat sich überall das Beste raus gezogen, Leute miteinander vernetzt und daraus ist Neues mit tollen Ergebnissen entstanden. Die Fähigkeit macht einen guten Politiker aus: Aus den Massen an Anfragen und Anträgen das Wichtigste zu kanalisieren, zu vernetzen und umzuwandeln.
AKW: Blick in die Zukunft: Was wünscht du dir für die Landes Gartenschau Ulm 2030?
Das wenigstens ein Bruchteil der ursprünglich geplanten Vorhaben umgesetzt werden kann. Das wird ein tolles Projekt! Ich will ja jetzt nicht immer betonen, was ich für ein toller Hecht bin, das habt ihr ja schon gemerkt aber das war meine Idee. Die erste LGS in BaWü überhaupt war 1980 in Ulm, da war ich 20 Jahre alt und hab im Herrenkeller den Touristenbussen das Essen serviert und mir gedacht: in 50 Jahren, 2030 wenn sich Ulm da bewirbt, da kommt niemand an Ulm vorbei. So wars dann auch, ich musste hier ziemlich dafür kämpfen weil die Bauverwaltung das wegen der vielen Arbeit nicht haben wollte, aber es gab dann über alle Fraktionen hinweg, außer den Grünen die haben – warum auch immer – nicht unterschrieben, dass Ulm sich für die LGS bewirbt. Hat geklappt. Ich sehe das schon als mein Baby an und muss kucken, das da was gscheits draus wird, bleibt spannend. Es wird sicher so sein dass diese Schneise durch die Stadt, die B10 die Ulm zerteilt, abgemildert wird. Ich meine, dass mit dem Tunnel unterm Blaubeurer Tor ist ein großer Schritt. Das war im Bauausschuss und die Bauverwaltung stöhnt, sie müsse das Ding erneuern. Melde ich mich und frage, warum die verkehrspolitische Sünde der 70ger Jahre erneuert und so gebaut werden soll, dass sie die nächsten 100 Jahre unverrückbar ist? Ist die Verwaltung nochmal in sich gegangen und hat Möglichkeiten gefunden, wie es noch gehen könnte und dann ist die idee des Tunnel entstanden. Wenn das so kommt ist das gigantisch und dann ist die Aufgabe für die nächste Generation, vollends durchzuziehen. Das kann man niemals auf einmal fnanzieren, jetzt gibt’s den Tunnel am Bißmarckring, dann kommt der unterm Blaubeurer Tor und das Stück dazwischen sind Fläche für die nächste Generation, die miteinander vernetzt werden sollte. Und wenn die LGS es schaft, den Rückbau des verkehrspolitischen Wahnsinns aus dem letzten Jahrhundert einzuleiten dann fnde ich, dass es viel für die Stadt gebracht. Ich will einen Kunstwettbewerb vorschlagen, wie das Blaubeurer Tor ins 21. Jahrhundert weiterentwickelt und gestaltet werden kann, damit auch ein Symbolbild für die LGS geschafen wird, eine Botschaft: Jetzt geht’s wieder voran in Ökologie und Nachhaltigkeit! Das muss die Politik ermöglichen.
AKW Vielen herzlichen Dank für das interessante Gespräch!