Ausstellungsansicht Weserburg Bremen/MeisterschülerInnenausstellung 2016
Videoloop HD


Katharina Groth (Bremen, 2016)
Funktionslose Gebrauchsgegenstände / Bestandsaufnahme des Sichtbaren – Silvia Kepplers aktuelle Arbeiten
Silvia Kepplers künstlerische Praxis ist geprägt von der Beschäftigung mit Material, das Nutzungsspuren trägt, Erinnerungen auslöst und darüber hinaus zeitgeschichtlichen Wert hat. Gefundene, bereits existierende Materialien, die sie weiter bearbeitet, verwendete Silvia Keppler schon bei einer Serie mit manipulierten Postkarten, Collagen und Intarsien (2010-13). Und sie grif sogar auf körpereigene Erzeugnisse zurück – für „Wurst“ und „Käse“ (2013) verarbeitete sie ihre eigene, überschüssig produzierte Muttermilch und Plazenta zu den titelgebenden Objekten. Häufg handelt es sich bei den gewählten Gegenständen um Fundstücke aus dem unmittelbaren Umkreis der Künstlerin; Relikte längst vergangener Zeiten. An ihnen haften immaterielle Erinnerungen und Geschichten, die sich chifrenartig als Abnutzungsspuren in die Oberfäche eingeschrieben haben.
Für ihre neuesten Arbeiten inszeniert sie einige ausgewählte Alltagsgegenstände und verschleiert dabei deren ursprüngliche Nutzung. Sie konzentriert sich dafür nicht auf die eigentliche Funktion der Objekte, sondern fokussiert ihre ästhetische Form. Silvia Keppler hinterfragt damit, was die Gegenstände durch ihre äußere Gestalt hinsichtlich ihrer Form und Material vermitteln. Doch auch die Inszenierung beeinfusst die Wahrnehmung der Dinge.
Auf einer Fotografe wird frontal eine braune Holzskulptur präsentiert: Eine bildartige Fläche auf einer braunen Platte. Getragen wird sie von einer hohen schmalen Holzfäche, deren Seiten ornamental geschnitzt sind. Kleine Abweichungen dieser symmetrischen Gestaltung lassen sich auf die handwerkliche Bearbeitung des Materials zurückführen. Das Objekt steht auf drei runden Füßen in einem ansonsten leeren Raum. Die horizontale Spiegelung setzt den Gegenstand einerseits weiter in den Umraum fort, andererseits löst sich so seine klare Gestalt zunehmend auf. Erst bei genauerem Hinsehen kann das Ding als Rückseite einer kleinen Standuhr erkannt werden, die durch ihre starke Vergrößerung wie ein fguratives Gegenüber erscheint. Ihre funktionale Vorderseite bleibt unsichtbar, stattdessen rückt das kunstfertige Handwerk der Gehäusegestaltung in die Wahrnehmung.
Die Künstlerin inszeniert außerdem treppenartig aufgereiht an der Wand vier silberne Kleiderhaken. Aus einer bestimmten Perspektive überschneiden sich die Garderobenhaken an gewissen Punkten und erscheinen dadurch als ein zusammenhängendes ornamentales Gebilde. Auf einem anderen Foto erscheint schräg aufragend ein Plattenbau vor der Kulisse eines leicht wolkigen Himmels. Das Hochhaus entpuppt sich auf dem zweiten Blick als Kassettenrekorder. Und schließlich wird vor blauem Hintergrund ein sonnengelber Deckel präsentiert. Ein banaler Deckel einer Tupperdose mit seiner reliefartigen Prägung einer runden Scheibe mit umkränzenden Strahlen fungiert als Stellvertreter eines Sonnenkörpers.
Silvia Keppler zeigt in einer Videoarbeit eine rätselhafte kubische Form. Grünlich lackierte Stahlprofle defnieren einen rechteckigen Körper, der schräg vor einer weißen Wand steht. Der Boden des Objekts bildet gelb eingefärbtes Sicherheitsglas. Glaswände befnden sich zwischen den Proflen. Im Inneren dieser eigentlich so klaren geometrischen Form öfnen sich jedoch weitere Räume. Der Betrachter wird mit verschobenen Teilansichten der Wände und des Bodens konfrontiert. Ein kleiner Goldfsch bewegt sich in dem Körper und defniert den Raum. Dieser tierische Körper in dem dinglichen Körper vervielfacht sich je nachdem, wo er sich befndet oder er verschwindet sogar für einen kurzen Moment.
Durch die bewusste Verschiebung von der funktionalen Erscheinung der Gegenstände zur abstrahierten Form und dem Spiel mit der Wahrnehmung des Betrachters rückt Silvia Keppler das verarbeitete Material selbst in den Vordergrund. Ihr gelingt es, den Begrif wörtlich zu nehmen. Der Wort „Material“ lässt sich etymologisch auf das lateinische „materia“ zurückführen, was einerseits für Stof steht, andererseits aber auch für Aufgabe, Anlage und Talent. Wiederrum zeigen sich die „materia“ in ihren Arbeiten als „mater“, als Ursprung und Quelle für die Funktionalität.